Ein internationaler Heimatfilm über Sex, Drugs, Rock ' n Roll und keine Rente.

Stuttgarter Zeitung: Denkmal ohne Pathos

Trommelnder Texaner im Chiemgau (Von Michael Werner)
Das also ist die Schattenseite längst verblassten Ruhms: Im Keller der kleinen Wohnung im Chiemgau nach den am wenigsten ramponierten Drumsticks suchen, die Regionalbahn besteigen, um dann beim Soundcheck in irgendeiner Spelunke auf eine Bassdrum zu treten, die klingt, als ob jemand pathologisch schüchtern an einerTür klopfen würde.
So hat Jimmy Carl Black, in den Sechzigern der legendäre Drummer von Frank Zappas Band The Mothers of Invention, seine letzten Jahre zugebracht.
Er tingelte mit Zappa Coverbands, und wenn der Texaner noch mal auf USATour ging, dann brachte ihm das in Kaschemmen mit 33 Zuschauern hundert Dollar pro Abend ein. Er übe nicht so gerne, sagt er. „Für was auch?“ Er hofft auf einen Lottogewinn.
Er ist sich sicher, dass seine bayerische Frau ihn geheiratet habe, „weil ich mit Zappa spielte“. Er hatKrebs.Und trotz alldem sagt er: „Sogar wenn ich jetzt gehen müsste – ich hatte ein verdammt gutes Leben“.
Die Stuttgarter Regisseurinnen Sigrun Köhler und Wiltrud Baier alias Böller & Brot haben den Musiker, der sich ein beachtliches Maß an Zufriedenheit antrainiert hat, in der bayerischen Gemeinde Siegsdorf aufgespürt und ihn bis ein halbes Jahr vor seinem Tod im November 2008 mehrmals interviewt und zur Arbeit begleitet. Herausgekommen ist dabei die einfühlsame Dokumentation „Where’s the Beer and when do we get paid?“. Geglückt ist dem Duo ein unterhaltsamer Film, der eine traurige Geschichte anhand eines lustigen Kerls erzählt, ein Denkmal ohne Pathos.
Denn so schonungslos „Where’s the Beer . . .“ die Brutalität des Lebens im Allgemeinen und des Musikgeschäfts im Speziellen auffächert, so beiläufig bedient sich der Film der abgründigen Komik, die entsteht, wenn beispielsweise zwei alten Knaben, die anno dazumal mitZappa und Black bei den Mothers of Invention musizierten, partout nicht der Name des Gitarristen Eric Clapton einfallen will. Die amerikanischen Straßenkreuzer, die Jimmy Carl Black wie Trophäen aufzählt, blenden Böller& Brot Diashowartig ein,und imHügelland unweit des Chiemsees machen sie einen Bayern ausfindig, der auf die Frage, was er denn von Rockmusik halte, tatsächlich aus dem Off mit „Samma bei den Junkies, oder was?“ antwortet,während auf der Kinoleinwand die Landschaft wogt.
Weil das Regieduo seine Protagonisten ernst nimmt, ohne sie bloßzustellen, gelingt ihm sogar ganz altmodisch eine Aussage: Jimmy Carl Black, der Mann mit den Augenringen, der „Indian in the band“, der im Dorf ein Fremdkörper ist, allein schon, weil er kein Deutsch und schon gar kein
Bayrisch spricht – womöglich ein Gescheiterter?
Böller&Brot machen deutlich, dass sein Lebensentwurf keinesfalls unplausibler ist als der des Schlagzeugers einer bayerischen Trachtenkapelle, der für sein Leben gern trommelt, der sich aber dennoch für eine Lehre im Straßenbau entscheidet. Es ist ein harter Kampf. So oder so.